Greenwashing
wie große Konzerne mit unserem grünen Gewissen spielen
Von Dana Esch, Ricarda Schneider und Arvid Aabye
Postkoloniale Strukturen ziehen sich durch zahlreiche Bereiche unseres Lebens. Ein Produkt, das uns in diesem Zusammenhang nahezu täglich begegnet und eine jahrhundertealte Geschichte des Kolonialismus in sich birgt, ist das pflanzliche Palmöl. Dieses wird aus Ölpalmen, die in allen Tropenregionen der Welt verbreitet sind, gewonnen. Bevor das günstigste aller Fette im Supermarkt um die Ecke landet und schließlich in fast jedem zweiten Produkt zu finden ist, hat es bereits eine lange, sowie für die Verbraucher*innen zumeist intransparente Reise hinter sich. Um Palmöl für eine Vielzahl an Produkten zu gewinnen (Margarine, Tiefkühlpizza, Schokolade, Putzmittel, Waschmittel, Kerzen, Kosmetika, Strom- und Wärmeerzeugung), wird Regenwald im Globalen Süden [1] abgeholzt. Ganze 60 Millionen Tonnen Palmöl werden derzeit auf mehr als 17 Millionen Hektar weltweit produziert [2]. Da die Gewinnung von Palmöl zwangsläufig die Rodung von Regenwald zur Folge hat, geht damit auch die Gesundheitsgefährdung der Anwohner*innen durch starke Luftverschmutzung einher. Neo-kolonialistische Strukturen zeichnen sich darüber hinaus am Landraub durch die ausländischen Palmöl-Konzerne und dem Schaffen großer Profite durch schlecht bezahlte einheimische Arbeitskräfte ab. Der RSPO (Roundtable of Sustainable Palm Oil) wirbt unter anderem dafür, keine Regenwaldflächen für die Gewinnung von Palmöl zu roden [3]. Das klingt vielversprechend, doch als Verbraucher*in im Supermarkt bleibt Folgendes verborgen: „Den Vorsitz des Labels Vereins führt ein Manager des Unilever-Konzerns (Dove, Knorr, Rama usw.), der mit 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr zugleich der weltweit größte Palmöl Verbraucher ist.“ [4] Hier beginnt unsere kurze Reise in das Thema des Greenwashing.
Wir beginnen mit einer kleinen Selbstreflexion. Stelle Dir folgende drei Fragen:
Im Supermarkt...
...achte ich besonders auf nachhaltige Produkte
...vermeide ich gezielt den Kauf von Produkten mit bestimmten Inhaltsstoffen, wie z.B. Palmöl
...fallen mir Produkte mit Siegeln auf der Verpackung positiv auf. Dabei kann ich die staatlich anerkannten Prüf- und Gütesiegel erkennen und einordnen.
Immer mehr Unternehmen sind darauf bedacht sich ein Image ökologischer Verantwortung aufzubauen und dieses gezielt nach außen zu tragen. Einer genaueren Überprüfung der Marken und Produkte können die damit einhergehenden Versprechen oftmals nicht standhalten. Glaubst du, dass deine Kaufentscheidungen von Greenwashing beeinflusst werden und/oder bist du bereits vertraut mit den zahlreichen Greenwashing-Strategien?
Als Greenwashing (zu Deutsch Grünwaschen, Grünfärben) werden allgemein Maßnahmen von Akteur*innen bezeichnet, die bei Verbraucher*innen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen sollen, jedoch in Wahrheit nicht nachhaltig sind. Die Gründe, weshalb Unternehmen zu solchen Methoden greifen, sind vielfältig. Einerseits lässt sich das kollektive Umdenken in der Unternehmenslandschaft auf das gestiegene Interesse der Verbraucher*innen an Nachhaltigkeit und dem damit wachsenden Öffentlichkeitsdruck zurückführen. Andererseits ist es für Unternehmen oft preiswerter oder trägt sogar zu ihrer Wettbewerbsfähigkeit bei, mehr Geld in „grüne“ Imagekampagnen zu investieren, anstatt wirksame Maßnahmen umzusetzen. Doch wie lassen sich aufrichtige Bemühungen um Nachhaltigkeit von Greenwashing unterscheiden? Bei der Vielzahl von Täuschungs-Methoden ist es nicht immer leicht den Überblick zu behalten und dahingehend das eigene Konsumverhalten auszurichten. Oftmals ist es beispielsweise nicht ersichtlich, welche Zertifikate auf Produkten vertrauenswürdig und aussagekräftig sind und welche nicht. Bei gängigen Zertifikaten wie Demeter, Bioland, Grüner Knopf und Blauer Engel mag das recht offensichtlich sein, aber die Anzahl der verschiedenen Zertifikate nimmt stetig zu. Die Erfindung eigener Label durch die Unternehmen ist mittlerweile weit verbreitet. Allerdings haben jene Label mit offiziellen Normungsgremien nichts zu tun.
Umso wertvoller ist es, einen Leitfaden parat zu haben, um Greenwashing als solches zu erkennen und somit auch ohne die Kenntnis über spezifische Label ein "gutes Gespür" für die Differenzierung entwickeln zu können. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, in diesem Artikel die sieben häufigsten Arten von Greenwashing, gemäß TerraChoice, vorzustellen [5].
Die sieben Sünden des Greenwashing
1
Versteckter Kompromiss
Die Kennzeichnung eines Produkts als umweltfreundlich basiert auf einer kleinen Anzahl von Merkmalen (z.B.
aus recyceltem Material hergestellt), während andere nicht berücksichtigte Merkmale (z. B. Energieverbrauch bei der Herstellung, Gasemissionen usw.) einen größeren Einfluss auf die Umweltfreundlichkeit eines Produkts im Gesamten haben können.
2
Keine Beweise
Das Aufstellen einer umweltbezogenen Behauptung ohne leicht zugängliche Beweise auf dem Etikett oder der
Produktwebsite (z. B. wird eine Glühbirne als energieeffizient angepriesen, ohne dass dafür Belege aufgeführt werden).
3
Unbestimmtheit
Die Verwendung von Begriffen, die zu weit gefasst oder schlecht definiert sind, um richtig verstanden zu
zu werden (z. B. kann ein "rein natürlicher" Reiniger immer noch schädliche Inhaltsstoffe enthalten, die lediglich natürlich vorkommen).
4
Irrelevante Angaben
Die Angabe von etwas, das zwar technisch wahr ist, aber kein Unterscheidungsmerkmal bei der Suche nach
umweltfreundlichen Produkten darstellt (z. B. wird mit "FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe)-frei" geworben – aber da FCKW seit 1991 per Gesetz verboten ist, ist dies eigentlich nicht relevant).
5
Das kleinere Übel
Die Behauptung umweltfreundlicher als andere Produkte in seiner Kategorie zu sein, obwohl die Kategorie als
Ganzes möglicherweise nicht umweltfreundlich ist (z. B. Anpreisung eines Elektroautos als emissionsfrei, dabei fallen bei der Produktion und Strombereitstellung hohe Mengen an CO2 an).
6
Schlichte Lügen
Werbung für etwas, das einfach nicht wahr ist (z. B. behauptet Energy Star zertifiziert zu sein, ist es aber nicht).
7
Anbetung falscher Etiketten
Die Behauptung, dass ein Produkt von einer dritten Partei bestätigt oder zertifiziert wurde, die in Wirklichkeit
nicht existiert (oftmals durch die Verwendung von gefälschten Zertifizierungsetiketten).
Neben diesen sieben Kategorien des Greenwashing möchten wir euch einen Überblick an häufig benutzten Begriffen geben, die zu Werbezwecken verwendet werden dürfen, ohne dass der Inhalt oder die Bedeutung der Begriffe rechtlich geschützt sind. Sowie rechtlich geschützte Begriffe, an deren Verwendung bestimmte Mindestanforderungen geknüpft sind; wobei es allerdings unerheblich ist, ob zusätzlich zu diesen Begriffen ein Siegel verwendet wird [6]. Dabei ist zu beachten, dass die Begriffe nur im Rahmen der Verwendung für die Ausgangsmaterialien rechtlich geschützt sind. So ist beispielsweise der Begriff „Bio-Baumwolle” geschützt, der Bio-Pullover hingegen nicht [7].
Geschützt: „biologisch“, „ökologisch“, „Bio“, „Öko“, „organic“, „Aus kontrolliertem biologischen Anbau“, „Heumilch“ [5]
Nicht genau definiert oder geschützt: „Weidemilch“, „Alpenmilch“, „Landmilch“, „regional“, „klimafreundlich“, „umweltschonend“, „nachhaltig“, „integrierter Landbau“, „aus kontrolliertem Vertragsanbau“, „umwelt-schonend“, „kontrolliert“, „unbehandelt“, „alternativ“, „natürliche Herstellung“, … [8]
Dennoch ist nicht jede grüne Marketingmaßnahme zwangsläufig irreführend. Entscheidend ist, dass sie aufrichtig ist und eine langfristige Strategie sowie eine Perspektive erkennbar sind. Wenn ein Bekleidungsgeschäft zum Beispiel aggressiv für Hemden aus Biobaumwolle wirbt, dabei aber zugibt, dass der Anteil nachhaltiger Produkte bisher nur ein Prozent des Umsatzes ausmacht, das langfristige Ziel aber ist, diesen Anteil in den nächsten Jahren um x Prozent zu erhöhen, dann steckt sehr wahrscheinlich eine Strategie dahinter. [8]
Nachfolgend präsentieren wir eine kurze Auflistung bekannter Labels mit jeweils einer kurzen Einschätzung, ob wir das Label für empfehlenswert halten oder nicht.

Wenn du dir bei einem Siegel oder Produkt unsicher bist und auf Nummer sicher gehen möchtest oder genauere Informationen wünschst, gibt es eine Reihe von Tools, wie z. B. den NABU-Siegel-Check, der dir dabei hilft zu erkennen, ob ein Produkt ökologisch empfehlenswert ist oder nicht. [9]
Um Greenwashing und den Auswirkungen entgegenwirken zu können, ist es zudem hilfreich, möglichst stark auf die gegebene Transparenz zu achten und Behauptungen der Unternehmen kritisch zu hinterfragen.
Wenn du Lust hast, kannst du versuchen ausfindig zu machen, welche der sieben Sünden des Greenwashings die untenstehende Werbung beinhaltet.
Sünde 5 - Das geringere Übel: Lidl spielt auf seine vergleichsweise "hohe" Recyclingquote an. Die Verwendung von Plastikflaschen ist aber keineswegs umweltfreundlich, da sie in der Herstellung viele Ressourcen, Rohstoffe und Energie verbrauchen. Sie sind deutlich umweltschädlicher als die Verwendung von Mehrwegflaschen. Das Ziel der Werbung ist es die Verbraucher*innen zu täuschen, um ihnen ein gutes Gefühl beim Kauf einer Einwegverpackung zu geben. [10]
Lösung aufdecken
Sünde 5 - Das geringere Übel: Lidl spielt auf seine vergleichsweise "hohe" Recyclingquote an. Die Verwendung von Plastikflaschen ist aber keineswegs umweltfreundlich, da sie in der Herstellung viele Ressourcen, Rohstoffe und Energie verbrauchen. Sie sind deutlich umweltschädlicher als die Verwendung von Mehrwegflaschen. Das Ziel der Werbung ist es die Verbraucher*innen zu täuschen, um ihnen ein gutes Gefühl beim Kauf einer Einwegverpackung zu geben. [10]