Einleitung
Ricarda Schneider, Dana Esch und Markus Vorreyer
Der menschengemachte Klimawandel ist eines der präsentesten und brisantesten Konfliktthemen der Gegenwart. Seit Beginn der Industrialisierung ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um rund 45 Prozent gestiegen.[1] Die Auswirkungen sind zunehmend global spürbar und können in Zukunft zu noch extremeren, katastrophalen Verwerfungen führen. Kurzum: Wir befinden uns inmitten einer Klimakrise. Obwohl sie in dieser Form einmalig in der Menschheitsgeschichte ist, so ist jene Krise doch eng mit den Entwicklungen der Vergangenheit verknüpft, weil sie durch jahrhunderte alte Strukturen begünstigt wird. Nicht zuletzt sind besagte Strukturen erheblich durch den (Neo-)Kolonialismus geprägt. Die Kritik an diesen Zuständen ist insbesondere dieser Tage deutlich wahrnehmbar: Raubkunst in renommierten Museen [2], Denkmäler und Straßennamen für Rassist*innen und Kolonisator*innen [3,4], sowie Versuche, die koloniale Vergangenheit in ein positives Licht zu rücken [5]: Um diese Streitpunkte werden immer wieder hitzige Debatten geführt und es wird deutlich, dass der Kolonialismus noch längst nicht überwunden ist.
Neben Faktoren wie der geographischen Lage, sorgt die koloniale Vergangenheit der Länder des Globalen Südens für ein erhebliches Ungleichgewicht hinsichtlich der Ursachen und Folgen der Klimakrise: Während der Globale Norden für einen Großteil der Treibhausgasemission und des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen verantwortlich war und weiterhin ist, treffen die verheerenden Konsequenzen besonders Menschen im Globalen Süden. Es ist schlichtweg kein Zufall, dass sich Überschneidungen zwischen den früheren Kolonialmächten und dem Globalen Norden auf der einen Seite, sowie ehemaligen Kolonien und heutigen Staaten des Globalen Südens ausfindig machen lassen. Doch wie genau hängen (Neo-)Kolonialismus und Klimakrise zusammen? Welche Faktoren sind entscheidend für die Reproduktion und Persistenz kolonialer Machtstrukturen? Wie sehen diese Zusammenhänge nach dem Ende des klassischen Kolonialzeitalters aus? Wie sehr ist unsere Gegenwart unter dem Schlaglicht der Klimakrise immer noch kolonialistisch geprägt?
Damit haben wir, die Teilnehmer*innen des Projekts “Kolonialismus und Klimakrise – Was hat Kolonialismus mit Klimakrise zu tun?”, uns ein Semester lang beschäftigt. Wir, das sind 24 Teilnehmer*innen verschiedener Studiengänge der TU Berlin mit unterschiedlichsten Backgrounds, die sich für dieses Projekt entschieden haben, welches im Rahmen des Energieseminars (ESEM) stattfand. Das ESEM ist eine mittlerweile über 30 Jahre existierende Institution der studentischen Lehre an der TU, deren Grundpfeiler das Interesse für erneuerbare Energien und andere Lehrformen abseits des Frontalunterrichts bilden. Jedes Semester werden mehrere interdisziplinäre Projekte organisiert, in denen Studierende sich ohne diktierende Lehrperson mit Themen aus dem Bereich Energie-Umwelt-Gesellschaft auseinandersetzen. Das Anliegen, politische Diskussionen an die Uni zu bringen und dabei hierarchiefreie Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren, prägte auch unser Projekt.
Angeleitet und unterstützt von zwei Tutorinnen erfolgte die Zusammenarbeit in diesem Wintersemester, aufgrund der andauernden Pandemie, digital in wöchentlichen Online-Meetings. Auch wenn der Zwang zum digitalen Format Einschränkungen mit sich bringt, hatten wir so die Möglichkeit, uns durch die Herausforderung zahlreiche neue Fähigkeiten im Rahmen des Seminars anzueignen. So lernten wir u.a. mit verschiedenen Formen der Konsensfindung und diversen digitalen Tools, unseren Seminarablauf lebendig und unsere wöchentlichen Inputs anregend zu gestalten.
Zu Beginn des Semesters sammelten wir mithilfe einer MindMap Themen, die uns bezüglich der Schwerpunkte Kolonialismus und Klimakrise interessierten. Durch eine Abstimmung gelangten zwölf davon in eine engere Auswahl und bildeten die Grundlage für wöchentlichen Input - Referate, welche von Kleingruppen vorbereitet und gehalten wurden. Hier ist hinzuzufügen, dass die am Konsens orientierten Abstimmungen viel Zeit und Raum in Anspruch nahmen. Einen roten Faden in unserer Themenauswahl mit Bezug zu beiden Kernthemen konnten wir dabei nicht immer aufrechterhalten. Häufig bestand der Bezug in erster Linie nur zu einem der Schwerpunkte. So kommen unsere finalen Ergebnisse auch bunt gemischt daher in Form und Inhalt und dennoch bietet jeder Beitrag einen Erkenntnisgewinn zum Zusammenhang von Kolonialismus und Klimakrise.
Die herausgearbeiteten Themen und Referate stellten den Ausgangspunkt für die Website und das Magazin dar, welche wir euch im Folgenden präsentieren. Hier findet ihr spannende Artikel, Interviews und Selbstreflexionen zu Problematiken wie kolonialen Kontinuitäten, Umweltrassismus und Greenwashing.
Darüber hinaus beschäftigten wir uns im Seminar auch damit, wie wir eigens in unserem Umgang untereinander verhindern können, Rassismus, Genderungleichheiten und andere Diskriminierungen zu reproduzieren. Neben einem Methodentag, der einen gesonderten Block zu Antirassismus beinhaltete, leistete dies auch ein Input-Referat zum Thema Gender. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen finden sich insbesondere in Form eines hohen Anspruchs an die Sprachsensibilität und dem Bemühen um die Verwendung diskriminierungsfreier Sprache auf unserer Webseite und in unserem Magazin wieder.
Unser Ziel, welches wir mit den beiden Medienformaten erreichen wollen, ist es, die Thematik des Klimakolonialismus möglichst divers zu beleuchten und so Rezipient*innen bestenfalls für die Weiträumigkeit und Relevanz der Problematik zu sensibilisieren, deren Vielschichtigkeit wir uns im Laufe des gesamten Projekts über angenähert haben. Wir wählten zwei Formen des Outputs, da es einerseits unserem digitalen Semester entspricht, den Output in Form einer interaktiven Website zu kreieren, andererseits aber der Wunsch zahlreicher Teilnehmer*innen nach einem analogen Outputmedium, einem Magazin, bestand.
Disclaimer: Die Beiträge auf unserer gemeinsam erstellten Website bzw. in unserem gemeinsam erstellten Magazin spiegeln nicht zwangsläufig die Meinungen aller Teilnehmer*innen wider, da die Themen individuell einzeln oder in Kleingruppen erarbeitet wurden.
Das sind wir!
24 Studierende der TU Berlin und zwei Tutor*innen